Mittwoch, 31. Januar 2024

Meloni telefoniert mit Orbán wegen inhaftierter Antifaschistin

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni hat am Dienstagabend wegen einer in Ungarn inhaftierten Italienerin mit ihrem ungarischen Amtskollegen Viktor Orbán telefoniert. „In voller Achtung der Unabhängigkeit der ungarischen Justiz machte Meloni Ministerpräsident Orbán auf den Fall unserer Landsfrau aufmerksam“, verlautete aus Melonis Regierungssitz.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni telefonierte mit Òrban. - Foto: © ANSA / FABIO CIMAGLIA

Die Anwälte der Volkschullehrerin und antifaschistischen Aktivistin Ilaria Salis erklärten, sie wollen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen, weil Ungarn gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen habe, der Personen vor unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe schützt.

„Die Verletzung ist eklatant, wenn man bedenkt, wie unsere Mandantin in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurde“, sagte Rechtsanwalt Eugenio Losco. Er kämpfe, damit seiner Mandantin Hausarrest gewährt werde.

Tajani bestellt Ungarns Botschafter ein

Der italienische Außenminister Antonio Tajani hatte in den vergangenen Tagen diplomatische Initiativen bei seinem ungarischen Amtskollegen Peter Szijjártó für die Freilassung der Italienerin unternommen. Tajani forderte am Dienstag von der Regierung in Budapest, die 39-jährige Lehrerin ausreisen zu lassen. Zudem ließ er den ungarischen Botschafter in Rom vorladen.

Außenminister Antonio Tajani - Foto: © ANSA / Riccardo Antimiani



Gegen die Mailänderin und ein mitangeklagtes deutsches Paar hatte am Montag in Budapest ein Prozess begonnen, bei dem sie in Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal gebracht wurde. Dies hatte in Italien für Aufsehen gesorgt. Der Frau drohen bis zu 11 Jahre Haft. Ihr Vater hatte mehrmals über unmenschlichen Bedingungen berichtet, in denen seine Tochter in einem Gefängnis in Budapest festgehalten werde.

3 Jahre Haft für Mann aus Deutschland

Ein mitangeklagter Deutscher hatte sich schuldig bekannt und wurde am Montag in erster Instanz zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Ilaria Salis und die mitangeklagte Deutsche bekannten sich nicht schuldig.

Salis bezeichnet sich selbst als Antifaschistin. Ihr wird zur Last gelegt, mit anderen Beteiligten aus der linken Szene im Februar vergangenen Jahres eine Gruppe von Rechtsextremen angegriffen zu haben, die an eine Aktion der Waffen-SS und ungarischer Soldaten im Jahr 1945 erinnern wollten. Dabei wurden nach Angaben der Behörden 9 Menschen verletzt, 6 davon schwer.

Das deutsche Paar soll der Gruppierung „Hammerbande“ rund um die deutsche Linksextremistin Lina E. angehören, die sich zum Ziel gesetzt hat, mutmaßliche Neonazis und Rechtsextremisten tätlich anzugreifen und ihnen schwere bis lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen.

Unterberger: „Inakzeptable Haltung“

„Die peinlichen Äußerungen und das Schweigen einiger Exponenten des rechten Flügels in der Affäre Ilaria Salis sind ein Beweis dafür, wie stark ihre Verbindungen zum illiberalen Regime Orbans sind.
Was Salis in Ungarn erleidet, ist eine Beleidigung der elementarsten Grundsätze des europäischen Rechts“, so die Vorsitzende der Autonomiegruppe im Senat, Julia Unterberger, in einer Mitteilung.

Julia Unterberger - Foto: © ANSA / MAURIZIO BRAMBATTI BT



„Vor einem Jahr beteiligte sich die Grundschullehrerin Ilaria Salis an einer Gegendemonstration zu einem Gedenktag, der jährlich Neonazis aus halb Europa in die ungarische Hauptstadt bringt. Dies zur Erinnerung an die 'heldenhafte' deutsche Armee, die von der Roten Armee in der Schlacht, um die Eroberung Budapests besiegt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde Salis verhaftet und angeklagt, 3 Neonazis angegriffen zu haben. Diese wiesen Verletzungen mit einer Heilungsdauer von 5 bzw. 8 Tagen auf und stellten nicht einmal ein Strafantrag.
Außerdem wird Ilaria Salis bezichtigt der linksextremen deutschen Hammerbande anzugehören. Sie bestreitet dies“, erläutert die SVP-Senatorin den Sachverhalt.

Wegen dieser Vorhaltungen sitzt Salis seit einem Jahr in Untersuchungshaft und muss mit einer Strafe von bis zu 11 Jahren rechnen.

„Bereits dies widerspricht der Vorstellung von einem Rechtssystem in einem demokratischen Staat. Aber damit nicht genug. Die Frau ist seit ihrer Festnahme in einem Hochsicherheitsgefängnis eingesperrt. In den ersten 7 Monaten wurde ihr nicht genehmigt mit ihren Eltern zu sprechen. Nachdem sie mit ihrem Vater sprechen konnte, berichtete sie, dass sie erst nach 5 Wochen saubere Kleidung erhalten habe. In der ersten Woche der Einzelhaft habe man ihr nicht einmal die Möglichkeit gegeben, sich zu waschen. Ihre Einzelzelle teile sie mit Bettwanzen und Ratten“, schildert Unterberger.

Am vergangenen Montag begann dann der Prozess. „Salis wurde an einer Kette in den Gerichtssaal gebracht, gefesselt an Händen und Füssen. Angesichts all dessen fragt man sich, wie es möglich ist, dass ausgerechnet ein Teil der Sovranisten keine Empörung empfindet. Weil Ilaria Salis eine Antifaschistin ist? Was Ilaria Salis widerfährt, ist ein weiterer Beweis für den autoritären Weg, den Orban in Ungarn eingeschlagen hat. Die italienische Regierung muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine italienische Staatsbürgerin zu schützen, und die Grundsätze eines Rechtsstaates zu verteidigen, die von Orban so dreist mit Füßen getreten werden“, betont Unterberger abschließend.


apa/stol

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